Santorin wackelt – Kreta zittert?

Veröffentlicht am 13. Februar 2025 um 11:15

134 Kilometer, die Entfernung von Lüneburg nach Bremen – so klein ist die maritime Distanz von Santorins Hafen nach Heraklion, der Hauptstadt an Kretas zentraler Nordküste. Damit liegt die nach wie vor von täglich Dutzenden Erdbeben durchgeschüttelte Vulkaninsel Santorin keineswegs ganz wo anders, sondern in unmittelbarer Nachbarschaft zur größten griechischen Urlaubsinsel. Und tatsächlich waren einige der mittlerweile mehreren Tausend Erdstöße um Santorin auch im südlicher gelegenen Kreta zu spüren.

Auch Küstenstädte auf Kreta sind Erdbeben gewohnt

Ein Großteil der Bevölkerung Santorins hat mittlerweile die durchgeschüttelte Vulkaninsel mit Sonderflügen und Fähren in Richtung Festland verlassen, da selbst für die Erdbeben erprobten Insulaner mittlere bis starke Beben im Minutentakt nicht besonders Vertrauen erweckend sind. Und die andauernden Erdstöße nagen tatsächlich an der Insel selbst, an mehreren Orten Santorins sind bereits Erdrutsche zu verzeichnen.

Mittlerweile wurden der Ausnahmezustand ausgerufen und auf die Nachbarinsel Amorgos ausgeweitet, Schulen geschlossen und Versammlungen in Gebäuden untersagt. Auch die Häfen der benachbarten Inseln Amorgos, Anafi, Ios und Santorin selbst sind geschlossen, zudem haben die Behörden durch die Anordnung erleichterten Zugriff auf zivile Hilfskräfte und schweres Gerät im Katastrophenfall.

Das Große Beben?

Die seit Anfang Februar andauernde Erdbebenserie, die teilweise im Minutentakt mehrere Tausend Erschütterungen der Inseln um den Caldera unter Santorin auslöste und bislang Magnituden von bis zu 5.3 auf der Richterskala errreicht hat, scheint nach Ansicht vieler Experten auf tektonische Bewegungen der Erdplatten zurückzuführen und nicht auf ein Aufflammen der vulkanischen Aktivitäten um die beliebte Ausflugsinsel mit den leuchtend-blauen Kuppeln – auch wenn ein Vulkanausbruch als Folge der Erschütterungen nicht ganz auszuschließen ist. Der Kolumbos etwa, ein als gemäßigt aktiv eingestufter Unterseevulkan mit 1,5 km durchmessendem Krater, liegt nur sieben Kilometer nordöstlich von Santorin. Durch seismische Messungen weiß man, dass sich unter dem Krater wieder ein Reservoir mit flüssigem Magma füllt. Bis es irgendwann erneut zu einer explosiven Eruption mit Tsunami kommen könnte wie bereits im Jahr 1650.

Contains modified Copernicus Sentinel data 2025, Attribution, via Wikimedia Commons

Erdbebenschwarm zwischen den Kykladen-Inseln Amorgos, Anafi und Santorin, mit Magnitude. Der Unterseevulkan Kolumbos befindet sich am südwestlichen Ende des Clusters vor Santorin

 

Unter dem Mittelmeer um Kreta sorgen die Afrikanische und Eurasische Platte sowie die Ägäische Mikroplatte für tektonische Spannungen und Störungszonen, die seit jeher hohe seismische Aktivitäten, Vulkanismus sowie die Entstehung von Tsunamis begünstigen. Tatsächlich waren es 1956 ebenfalls im heute betroffenen Gebiet zwei starke Beben der Stärke bis 7.7, welche die Insel Amorgos sowie das benachbarte Santorin erschütterten, dabei 53 Todesopfer forderten und schwere Schäden auf beiden Inseln anrichteten – sowie als Folge von submarinen Erdrutschen einen mehrere Meter hohen Tsunami auslöste, der in abgeschwächter Form die Nordküste Kretas flutete.

Kreuzfahrer auf Umleitung

Auf Grund der aktuell anhaltenden Erdbeben und der damit einhergehenden Erdrutschgefahr ist mit der Viking Star das erste Kreuzfahrtschiff, das eigentlich die Tourismussaison auf Santorin eröffnen sollte, nach Souda im Nordwesten Kretas umgeleitet worden. Auch bis ins 148 Kilometer von Santorin entfernte Agios Nikolaos in der Bucht von Mirabelllo waren einige der registrierten Erschütterungen zu spüren. Hier wie überall in der Ägäis ist man leichtere, doch durchaus spürbare Erdbeben gewohnt, die aber nur selten größere Schäden verursachen. Da die aktuell anhaltende Erdbebenserie keine zuverlässigen Schlüsse auf ansteigende Intensität der Erschütterungen (als Vorlauf eines noch stärkeren Erdbebens oder Auslöser vulkanischer Aktivität), aber auch noch kein Abklingen und damit Entspannung der Tektonik unter der Ägäis nahelegt, können Seismologen und Geologen noch keine Entwarnung geben.

Unruhige Zeiten, auch in der Ägäis

Das Warnsystem des Griechischen Zivilschutzes per cell broadcast funktioniert aller Erfahrung nach zuverlässig © Kretaplan

Warnumg vor Tsunami

Am 02. Mai 2020 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 6.6 den Meeresboden südlich von Kreta, war bis in die nordafrikanischen Küstengebiete von Ägypten und Libyen zu spüren und löste einen kleinen Tsunami aus, der rund 15 Minuten nach dem Beben im Hafen des kretischen Ortes Kastri sowie in der Hafenstadt Ierapetra beobachtet wurde. Größere Tsunamis, die auf seismische Spannungen, Seebeben, Vulkanausbrüche oder Untersee-Erdrutschen zurückgehen, können aber durchaus auch weniger glimpflich ablaufen. 

"Erdbeben im Mittelmeerraum können die Stärke 7.5 bis 8 erreichen, dementsprechend sind Wellenhöhen von 5 bis 6 Metern im Bereich des Möglichen", sagt Dr. Jörn Lauterjung vom GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung. Daher wurde schon länger an einem Tsunami-Frühwarnsystem für die Ägäis gearbeitet, welches im August 2012 schließ in Betrieb genommen wurde und seitdem Warnmeldungen an das Generalsekreteriat für Zivilschutz in Griechenland  (GSCP) liefern kann und sukzessive ausgebaut wird. Ob das System im Ernstfall schnell genug arbeitet, bleibt abzuwarten. Denn "Effektiv sind die bestehenden Tsunami-Warnsysteme bisher nur für die Alarmierung von Küsten, die mehrere hundert bis einige tausend Kilometer vom Entstehungsgebiet entfernt liegen. Das ermöglicht Vorwarnzeiten von einigen zehn Minuten bis zu mehreren Stunden", so Prof. Dr. Peter Bormann vom GFZ. Doch so weit ist man im kleinen Mittelmeer nun einmal nie von der nächsten Erschütterung entfernt.

Santorin in der Ägäis

Die Ruhe vor dem nächsten Ansturm.... auf Santorin © kasabubu/pixabay

Nachtrag

In einem fünfwöchigen Zeitraum ab dem 24. Januar 2025 wurden rund 20.000 leichte bis mittelschwere Erdstöße um Santorin und Amorgos registriert, ein sogenannter Erdbebenschwarm. Der Notstand auf den betroffenen Inseln wurde Anfang März wieder aufgehoben, die Mehrzahl der Bewohner konnte in ihre Häuser zurückkehren. Die wissenschaftliche Überwachung der seismischen Aktivität vor Ort soll weiter ausgebaut werden – in der letzten Märzwoche wurde erneut ein mittelschweres Erdbeben der Stärke 4.5 vor der Küste von Santorin gemessen.

Weiterführende Links:

Reisewarnung des Auswärtigen Amtes zu Santorini, Amorgos, Anafi und Ios

Das Geheimnis von Santorini auf ARTE

Konkrete Handlungshinweise des Griechischen Katastrophenschutzes

Tsunamigefährdung im Mittelmeer des GFZ Helmholtz-Zentrums für Geoforschung

Tsunami-Frühwarnsystem für die Insel Kreta von GeoHorizon

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