Der »Minoan Path« nach Kartharos

Veröffentlicht am 17. Februar 2025 um 12:46

Wer keine Lust hat, sich bei den berüchtigten 40°C im Schatten einzureihen in die Schlangen, die den touristisch bestens erschlossenen Ausgrabungsstätten wie Knossos oder der ehemaligen Leprainsel Spinalonga entgegen mäandern, der könnte sich eine eher unbekannte altertümlichen Einrichtung Ostkretas ansehen, die vielleicht noch länger Bestand hat als die hinreichend bekannten Touristen-Highlight Kretas. Der »Minoan Path« führt vom malerischen Künstlerstädtchen Kritsa 300 Meter über der wundeschönen Mirabello-Bucht hinauf aufs Kartharo-Plateau, wo es mitunter richtig alpin wird.

Wanderweg klingt immer ein bisschen nach feuchtem Wald, klobigen Stiefeln mit zu vielen Schnürösen und gekochten Eiern aus Plastikdosen. Allerdings haben die Verantwortlichen hier, zwischen den Wellen der Bucht von Mirabello und dem Dikti-Gebirge Ostkretas, für jede Menge Abwechslung gesorgt. Das beginnt schon bei den Landschaftsformen, denn wer die sehr gut ausgebaute Strasse von Kritsa aus in Richtung des Katharo-Plateaus nimmt, findet sich zunächst in einer Art Hochsteppe wieder, deren knorriges und borstiges Buschland schon recht urzeitlich wirkt. Tatsächlich wurden in der Gegend um Katharos die Fossilien von urzeitlichen Zwergflusspferden gefunden, die sich vor rund 350.000 Jahren mit Zwergelefanten um die nahrhaftesten Gräser balgten. Das weckt doch schon einmal Vorfreude – zumal auch einer der wenigen Wälder Kretas hier oben überdauert hat.

Leichter Einstieg, komfortable Stufen

Die schwindelerregendsten Meter legt man allerdings bereits auf der Anfahrt zurück, denn nach wenigen Minuten Fahrt über die steilen Serpentinen über Kritsa erreicht man das sanft ansteigende, offene Gelände, dass hier oben neben gut besuchten Ziegenweiden auch bereits feine Aussichten über das Meer in der Bucht um Agios Nikolaos bietet. Sonnengebleichte Steinquadern rahmen neben roterdigen Senken samt erstaunlich saftigem Gras auch komfortable Steinstufen, die dabei deutlich weniger monumental (und damit zugänglicher, auch für Kinder) daherkommen als etwa in anderen archäologisch bedeutsame Stätten wie, sagen wir, Pompeji. Doch der Effekt, auf einem tausende Jahren alten Verbindungsweg einem fruchtbaren Hochplateau entgegen zu wandern, hat eben seinen ganz eigenen Reiz. Die schwarzgelben Wanderwegmarkierungen sind zahlreich, doch eigentlich nicht erforderlich, da die nächsten weißgrau leuchtendene Steinstufen des alten Eselspfades nie weit weg sind.

Kritsas Zypressenwald auf dem Weg auf die alpine Kartharo-Hochebene

© Kretaplan

Exkursion: Kritsas Zypressenwald

Kritsa, das als kunsthandwerklich relevanter Ort für Tagesausflüge in der Region Agios Nikolaos nicht unterschätzt werden sollte, hat neben dem eigenen Obstgarten des fruchtbaren Kartharo-Plateaus noch einen weiteren sehenswerten Außenposten zu bieten, nämlich den ebenfalls durchaus urzeitlich wirkenden Zypressenwald. Von einem kleinen Ausssichts- und Picknickplatz am Rande der Verbindungsstraße Kritsa - Kartharos aus windet sich ein terrassierter Treppenpfad die Bergflanke hinab, kreuzt den »Minoan Path« und führt über einen 4,8 Kilometer messenden Rundwanderweg durch die Talspalte voll mit stattlichen Exemplaren der Mittelmeer-Zypresse, die hier in der Abgeschiedenheit Ostkretas überdauern konnte und sehr alt werden kann. Dieser immergrüne Baum bildete einst die vorherrschende Waldform Kretas, war aber auch dem Holzhunger früherer Zivilisationen seit den Minoern ausgesetzt, so dass dieses Waldgebiet als das größte zusammenhängende der Insel verblieb.

Schattenspendende Bäume, kretische Mondnächte

Ohnehin ist es in den Höhen ab 500 Metern immer merklich ein paar Grade kälter als unten am Meer, so dass die Wanderung auf dem Minoischen Wanderweg durchaus auch zu sommerlichen Bedingungen gut zu meistern ist. Zudem kommt die Tatsache, dass man, folgt man dem Pfad weiter bergwärts, häufiger im Schattten der Bäume wandern kann, wenn sich zu den Zypressen auch Eichen und Kiefern gesellen. Nach gut anderthalb Stunden trifft man auf eine Lichtung, auf der ein schönes kleines, allerdings neuzeitliches Amphitheater (Astividoro Kritsa) als Bühne für die kretischen Mondnächte dient, bei denen im Hochsommer reichlich gegessen, getrunken und zu traditioneller kretischer Musik getanzt wird.

Wenige Meter weiter endet dieser Teil des »Minoan Path«, die Bergstraße führt von hier über wenige Kilometer weiter nach Kartharos mit seiner fruchtbaren Ebene voll Apfelbäumen, Weinstöcken, Weiden und Sommerhäuschen der Bewohner von Kritsa, die hier traditionell das exklusive Recht der Bewirtschaftung halten. Und als Sahnehäubchen nach all den beeidruckenden Landschaftsformen bieten sich unverstellte Ausblicke auf die nicht selten schneebedeckten Bergflanken des über 2.000 Meter aufragenden Dikti-Gebirges.

© Kretaplan

Weiterführende Links:

Entdeckung von Zwergflusspferden in Kartharos, allerdings weniger aktiv als ihre heutigen afrikanischen Verwandten

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