Fußbodenheizung, Fachwerk, Dübel, Zement, Mietsblock – wer hat`s erfunden? Tatsächlich gehen unzählige bauliche Errungenschaften und Innovationen auf antiken griechischen Erfindungsreichtum sowie folgende römische Entwicklungsarbeit zurück und sind heutzutage fester Bestandteil von Architektur, Bautechnik und Kunst. Doch auch schon für Fastfood, Wellness und Prostitution finden sich Nachweise in den verschütteten Relikten antiker Siedlungen. Wenn man nur genau hinsieht.

Keineswegs nur die prachtvolle Bauten als Ausdruck politischer Staatsformen oder zur Unterhaltung der Volksmassen, sondern auch öffentliche Funktionsbauten wie etwa die Kanalisationssysteme der cloaca maxima in Rom gehen auf jene antiken Hochkulturen zurück, die in einem Zeitraum von tausend Jahren um den Beginn unserer christlichen Zeitrechnung blühten. Eben auch Errungenschaften ganz praktischer Art verdanken wir den kriegerischen und doch hochgradig innovativen Kulturen des Mittelmeerraumes, auagegehend von den frühgriechischen Stadtstaaten.
Antike statische Revolution im Mauerwerk
Die Bautätigkeit vorchristlicher Kulturen brachte bereits in der Bronzezeit monumentale Bauwerke hervor, deren Errichtung angesichts der kyklopischen Dimensionen rätselhaft scheinen mag. Doch die Bautätigkeit, etwa in frühen Hochkulturen wie der minoischen Herrschaft in der Ägäis, beschränkte sich nicht nur auf Palast-ähnliche Strukturen mit allerlei Annehmlichkeiten und Zeichen einer elaborierten Arbeitsteilung, wie sie auch in modernen Städten zu finden ist. Verlässlichere und auch standhaftere Zeugnisse der antiken architektonischen Kunst sind allerdings aus der Hochklassik erhalten, als man dazu überging, die riesigen Steinblöcke der Tempel- und Palastbauten mit Bleibändern und -dübeln zu sichern. Solche Prachtbauten haben zum Teil Wetter, Erdbeben und Jahrtausenden getrotzt – und manchmal sind sogar über die Entstehung, die Bauphasen und die Finanzierung offizielle Bauberichte erhalten.
Da das klassischste, aber schon damals kostspielige Baumaterial Marmor nicht überall lokal verfügbar und somit bezahlbar war, erfanden die Römer eine Technik, stabile, formbare Konstruktionen aus einem Materialgemisch zu entwickeln, welches sie opus caementicium nannten: Schalwerk aus zunächst unregelmäßig (opus incertum), dann aber immer sorgfältiger (opus reticulatum) gemauerten Steinen und Ziegeln, die von einem gegossenen Kern aus Beton verschiedenster Zusammensetzung gehalten wurden. Wem dann noch nicht der Bau-Etat ausgegangen war, konnte das Mauerwerk verputzen, mit dünnen Marmorplatten verblenden oder mit kunstvollen Wandmalereien versehen. Über die Materialkosten-Ersparnis hinaus wurden mit dem ersten antiken Zement freitragende Deckenkonstruktionen statisch dauerhaft möglich, was zum Beispiel in Rom zum Bau des hadrianischen Pantheons (um 120 n. Chr.) mit seiner 43 Meter durchmessenden Kuppel befähigte. Übrigens war auch schon die Verbindung von Holzträger- und Mauerwerk der Fachwerk-Technik in der Antike gebräuchlich, wie Befunde im vom Vesuv verschütteten Pompeji immer wieder bestätigen.

Auch monumentale Sakralbauten wie die Peripteros-Tempel der Athener Akropolis wären ohne
zukunftsweisende Dübeltechniken nicht möglich gewesen ©Kretaplan
Steine in altbewährter Aufteilung und Variation
Präsenter als alles andere hat die antike Kunst der Tempelarchitektur die Jahrtausende überdauert und findet sich in ihren Grundkompositionen und Bauschmuck-Elementen in repräsentativen Bauten wieder, vom deutschen Reichstag über das White House in Washington bis zu den vielen klassizistischen Börsen-, Museums- und Operngebäuden weltweiter Großstädte. Besonders die Säulenarchitektur der antiken Sakralbauten und ihre Variationen (Ordnungen) haben bis heute ihren festen Platz in der Baugeschichte, ausgehend von den riesigen steinernen Kunstwerken frühgriechischer Baumeister. Bereits aus dem 15. Jhd. v. Chr. sind Spuren von Monumentalbauten etwa der mykenischen Hochkultur nachgewiesen, auf die Insel Kreta weisen sogar noch früher datierte Befunde. Die klassische Aufteilung der Tempelfassade in horizontal angeordnete Bauglieder, wie sie auch heute noch Bestand hat und als charakteristisches Merkmal eine frontalen Säulenstellung (Peristasis) aufweist, hat sich allerdings erst kanonisch mit der Entstehung der griechischen Demokratien im 5. Jhd. v. Chr. etabliert.
Ordnung muss sein: Dorisch, ionisch oder korinthisch
Grundsätzlich hat sich die klassische Gestalt der Baufassade aus der schlichten dorischen Ordnung entwickelt, die einst die zunächst aus Holz gefertigten Sakralbauten gliederte. Über dem unsichtbaren Fundament aus befestigtem Erdreich oder Steinplatten lag das mehrstufige sichtbare Fundament, welches mit der Euthynterie (Ausgleichsschicht) eine waagerechte Fläche schuf. Die oberste Stufe (Stylobat) diente der Säulenstellung als Untergrund, wobei die dorischen Säulen mit einfachen konkaven Furchen (Kanneluren) und einem geometrisch- funktional geprägten Kapitell als oberem Abschluss auskamen. Erst die ionischen Säulen mit ihren gegliederten Basen (Plinthe und Spira) sowie den schmuckvolleren Kapitellen mit Abakus, Echinus und den Voluten genannten, seitlichen Schneckenwindungen zeigten sich verspielter bei der Ausschmückung der Baukörper. Die korinthischen Kapitelle schließlich boten eine noch reichere Variation mit Trichterartig angelegten Grundformen, die mit fein modellierten Akanthus-Blättern und ebenfalls aus dem Pflanzenreich entlehnten Blüten und Voluten geschmückt waren. Auf den schlichten Kapitellen der dorischen Ordnung lag der Architrav als horizontale Verbindung der Säulen auf, wobei die als Bauschmuck übernommenen oberen Leisten und Stifte (Regulae) an die Zeit erinnerten, als das hölzerne Gebälk noch mit Nägeln fixiert wurde.

In Pompeji finden sich nicht nur sämtliche Säulenordnungen nebeneinander, sondern auch Bäder, Bordelle und Imbissbuden ©Kretaplan
Wellness fürs Volk
Was wahrscheinlich in früh-antiken Kulturen noch der herrschenden Oberschicht vorbehalten war, wurde durch das demokratische Bürgerwesen der griechischen Stadtstaaten und der divergierenden Gesellschaft des Römischen Volkes massentauglich: Das Badevergnügen in Schwitzräumen, Dampfbädern und Gärten der öffentlichen Badanlagen. Zwar gehörte ein klassischer Badetrakt samt Apodyterium (Umkleide), Frigidarium (Kaltbaderaum), Tepidarium (Warmbaderaum), Caldarium (Heißbaderaum), Laconicum (Schwitzraum) sowie Gartenanlage mit Natatio (Schwimmbecken) zur Ausstattung vieler römischer Paläste, Villen und herrschaftlicher Stadthäuser im gesamten Gebiet des Imperium Romanum. Doch auch die Angehörigen niederer Gesellschaftsschichten profitierten von einer verstärkt auch öffentlich zugänglichen Badkultur:
Wiederum in Pompeji lässt sich nachweisen, dass die Baderäume eines ursprünglich als privater Villenkomplex erbauten Besitzes, der Preadia Iulia Felix (II, 4, 6 - 7), nachträglich der bürgerlichen Öffenlichkeit zugänglich gemacht wurden – wahrscheinlich, um durch die Besuchereinnahmen das Einkommen der Besitzer aufzubessern. In eben jenem Bauplan des Thermenkomplexes finden sich auch deutlich Hinweise auf eine weitere Annehmlichkeit des römischen Alltags, nämlich beheizbare Wände und Fußböden. Die sogenannten Hypokausten ermöglichten die Durchleitung von heißer Luft durch die ins Bauwerk integrierte Tonröhren (Tubulatur) – wer einmal einen mediterranen Winter mit hoher Luftfeuchte und dauerhaft knapp zweistelligen Temperaturen erlebt hat, weiß das durchaus zu schätzen.
Brot und Bett für Pompejis Bürger
Doch auch andere leibliche Bedürfnisse fanden ihren Ausdruck in der Bautätigkeit der antiken Architekten und Ingenieure. In Rom und der in der Kaiserzeit zum Welthafen avanchierenden Vorstadt Ostia entstanden ganze Straßenblöcke von Mietskasernen als Reaktion auf steigende Bevölkerungszahlen und eine gesellschaftlichen Entwicklung, die erstmalig eine Masse an bürgerlichen Arbeitern und freigelassenen Sklaven mit Bedarf an eigenem, doch bescheidenen Wohnraum hervorbrachte. Auch in Pompeji bis zum Vesuvausbruch 79 n. Chr. war diese Entwicklung an der nachträglichen Abtrennung vermietbarer Wohneinheiten von herrschaftlichen Stadthäusern erkennbar, als erstmals hölzernes Ständerwerk und Holzplatten als Mittel früher Leichtbauweise verwendet wurden.
Auch Artefakte anderer Bereiche des täglichen Lebens und Arbeitens weisen auf interessante Parallelen zur heutigen Lebensweise hin, denn auch wenn antike Mietskasernen schon mit (Ab-)Wasserversorgung auf den Etagen versehen waren, so wurde doch häufig unterwegs auf der Straße gegessen. Offene Garküchen (caupona) mit in die Theken eingelassenen Tonkrügen für Eintöpfe und anderes Fastfood gab es regelmäßig im Stadtbild des Römischen Reiches. Sozusagen Vorgänger der Dixi-Toiletten war die Einrichtung des sogenannten gastrum urinarium, ein Tongefäß, aufgestellt in Nischen vor textilverarbeitenden Betrieben, die den gesammelten Urin der Passanten in der Tuch-Bearbeitung und Wäscherei verwendeten. Und nicht zuletzt die (keineswegs nur weiblichen) Angehörigen des mutmaßlich ältesten Berufsstandes der Menschheit – nein, nicht Steinmetze sind gemeint – boten ihre erotischen Dienste in Lupanaren an: Gebäuden mit kleinen Bettkammern, über deren Türen sich aufgemalte Kataloge der angebotenen Leistungen erhalten haben. Für absolut jedes menschliche Bedürfnis fand sich schon vor mehr als 2000 Jahren eine architektonische Lösung.

Swimmingpool oder Klimaanlage? Das Impluvium einer pompejianischen Villa ©Kretaplan
Kleines architektonisches Glossar der antiken Bauformen:
- Akroter: Dachschmuck, oft Statuen von Niken, Greifen oder auch Prunkgefäße
- Apsis: meist halbkreisförmiger und kuppelgewölbter Gebäudeteil
- Astragal: Perlstab, Architektur-Schmuckleiste
- Balcone pensile: Vorkragender Balkom an Gebäuden
- Dipylon: Doppeltor, oft als repräsentativer Haupteingang ausgestaltet
- Epistyl: Tragender Balken über Säulen oder Pfeilern
- Fauces: Kleiner Vorraum zwischen Hauseingang, Vestibulum und Atrium
- Fascien: Waagerechte, abgesetzte Linie auf Architraven
- Fries: Streifenförmige Darstellungsweise von gemeißelten Ornamenten oder figürlichen Szenen
- Illiupersis: Zerstörung Trojas im Trojanischen Krieg, kanonisches Motiv auf Friesdarstellungen
- Kannelur: Senkrechte konkave Furchen des Säulenschaftes
- Karyatiden: Anstelle einer Säule angeordnete Mädchenstatue
- Krepis: Tragender Sockel bzw. Unterbau von Gebäuden
- Kurvatur: Ästhetisch motivierte, mittig ansteigende Krümmung eigentlich horizontaler Flächen griechischer Tempel
- Kymation: Eierstab, ornamentale Zierleiste abwechselnd mit Eiern und Lotosblüten
- Lünette: Bogenförmig eingefasstes Feld einer Wand, oft als Abschluss über Türen
- Mäanderfries: Rechtwinklig geschwungenes Zierband, nach kleinasiatischem Fluss benannt
- Metope: häufig skulpierter Zwischenraum im Triglyphenfries eines Tempels
- Mittel-Interkolumnium: Meist erweiterter Säulenabstand in der Mitte einer Gebäudefront
- Peripteros: Tempelbau mit umlaufender Säulenstellung
- Peristasis: Säulenstellung an der Fassade eines Tempels
- Peristyl: Offener (Garten-)Hof mit umlaufender Säulenhalle
- Pilaster: Einer Wand vorgestellter Rechteck-Pfeiler mit Basis und Kapitell einer Säule
- Portikus: Säulenhalle mit geschlossener Rückwand, z.B. an der Haupteingangs-Seite eines Gebäudes
- Ranken-Sima: Traufleiste antiker Tempel mit floraler Ornamentik
- Risalit: Zur Aufgliederung der Fassade vorspringender, turmartiger Gebäudeteil
- Sima: Traufgesims an der Dachkante, oft mit floralen Ornamenten und löwenköpfigen Wasserspeiern
- Zahnschnitt-Gesims: Fries aus rechteckigen, vorspringenden Steinen der ionischen und korinthischen Ordnung, abgeleitet von Holzbalken-Köpfen
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