Häufung von EU-Subventionsbetrug auf Kreta

Veröffentlicht am 18. März 2025 um 11:24

Besonders Einwohner von Kreta sollen im großen Stil Agrarsubventionen der Europäischen Union für Ländereien, die sie weder besaßen, noch bewirtschafteten, betrügerisch beantragt und so seit 2017 viele Millionen Euro unrechtmäßig kassiert haben. Doch wie kann es sein, das ein solch systematischer Subventionsbetrug möglich war, und warum sind besonders viele der betrügerischen Anträge für Ländereien in ganz Griechenland auf Kreta gestellt worden?

Auch Küstenstädte auf Kreta sind Erdbeben gewohnt

Schwarze Schafe und Ziegen sind auf Kreta dann ein Problem, wenn sie unkontrolliert auswärts weiden   ©Kretaplan

Jährlich bis zu 45 Millionen Euro Schaden

Die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) untersucht derzeit eine beträchtliche Anzahl von Fällen unrechtmäßig ausgezahlter EU-Agrarsubventionen seit 2017, die von der zuständigen griechischen Organisation für Zahlungen und Kontrolle der Gemeinschaftsbeihilfen, Beratung und Garantien (OPEKEPE) bewilligt worden waren. Antragssteller mussten dabei weder prüfungsfeste Besitzurkunden noch Pachtverträge oder ähnlich Unterlagen einreichen, um die Rechtmäßigkeit ihrer Subventionsanträge zu belegen. Auch wurden die Daten der Vorjahre in der dem griechischen Landwirtschaftsministerium unterstellten OPEKEPE nicht abgeglichen, so dass hätte auffallen können, dass einige Ländereien immer wieder von anderen Begünstigten gemeldet wurden, nie aber doppelt in einem Jahr. Letzteres ein Hinweis darauf, dass der Betrug von einer Position mit Akteneinblick koordiniert war. So summierte sich der systematische Betrug auf bis zu 45 Millionen Euro – jährlich.

Insider-Job, gedeckt von Vorgesetzten

Zwischen 2017 und 2020 konnten Viehzüchter, hauptsächlich von Kreta, diese Gelder des European Agricultural Guarantee Fund (EAGF) sowie des European Agricultural Fund for Rural Development (EAFRD) abgreifen, ohne eine tatsächliche Verbindung zu den Parzellen irgendwo in Griechenland zu haben, die von der OPEKEPE mit Subventionszahlungen bedacht wurden. Einige der Begünstigten wurden bereits angeklagt und zu Haftstrafen verurteilt, doch innerhalb der für die Verteilung der Gelder zuständigen Agentur wurde bislang niemand belangt. Doch die Ermittlungen haben bereits deutliche Hinweise auf ein System von systematischen Ungenauigkeiten bis zur Unterlassung bei der Prüfung der Anträge ergeben, ebenso wie aktive Unterstützung der Betrügereien seitens der Agentur.

Bemerkenswert, zumal die ehemalige Leiterin der Innenrevision von OPEKEPE, Paraskevi Tycheropoulou, daran arbeitete, das interne Betrugssystem aufzudecken – allerdings unter größten Schwierigkeiten, da seitens der Politik vertuscht wurde. So wurde 2020 auch der damalige OPEKEPE-Präsident Grigorios Varras zum Rücktritt gedrängt, als er darauf drang, die Vergabepraxis verdächtiger Subventionen zu prüfen. Auch Tycheropoulou wurde aus dem Amt gedrängt und berät nun die Europäische Staatsanwaltschaft in den Ermittlungen.

Ziegn und Schafe wandern oft unbeschränkt auch Kretas Hochweiden

In Kretas Bergwildnis wird es nicht immer so genau genommen mit dem Grundbuch   ©fietzfotos/pixabay

Laut EU-Anwaltschaft ein akutes Phänomen

Die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) verfolgt seit 2021 Straftaten zum Nachteil des EU-Haushalts, darunter eben auch Agrarsubventionsbetrug. Für das Jahr 2023 wurde  in mehr als 200 Verfahren mit einem geschätzten Gesamtschaden von 19,2 Milliarden Euro ermittelt, das Problem ist also keineswegs abgestellt. Das Büro der EU-Anwaltschaft in Athen hat kürzlich gegen rund 100 Begünstigte Anklage wegen Agrarsubventionsbetrug erhoben, dabei soll es um einen Schadenswert für den EU-Haushalt von rund 2,9 Millionen Euro gehen. In mehreren Fällen stehen die Verhandlungen noch aus, weitere Gerichtsverhandlungen sind für März und Mai angesetzt. Doch wie sehr wurde auch in den aktuellen griechischen Fällen die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU ausgenutzt, die einen solchen Missbrauch von Subventionszahlungen scheinbar beförderte, in dem die Meldung "virtueller" Ländereien zur Erlangung von innereuropäischen Subventionen ausreichte?

Ein Europäisches Problem, ein Griechisches oder eines von Kreta?

Problematisch ist die Vergabepraxis der GAP-Subventionen zweifellos, geht es doch um ungeheuer große Geldtöpfe, in denen rund ein Drittel des gesamten EU-Haushalts stecken. Der Druck aus Brüssel auf die griechischen Behörden wächst jedenfalls, im März vergangenen Jahres verhängte die Europäische Kommission bereits eine Geldstrafe von 283 Millionen Euro gegen Griechenland aufgrund von Misswirtschaft bei der OPEKEPE, mit anschließender 12-monatiger Bewährung. Das Ganze ist auch für Griechenland kein kleines Problem. Nach dem Korruptionswahrnehmungsindex (CPI), einer regelmäßigen Metastudie von Transparency International, liegt Griechenland nach wie vor mit einem Score von 49 aus 100 auf einem schlechten 59. Platz von 180 untersuchten Ländern und hat damit weiterhin ein beträchtliches Problem mit Korruption, Vetternwirtschaft und Vorteilsnahme.

Doch sind nun die Viehzüchter Kretas, auf deren Konto die Mehrzahl der Betrugsfälle gingen, besonders habgierig? Oder fühlen sich so weit ab von Brüssel und Athen einfach unbeobachtet? Während es auf der Insel durchaus viele Landflächen gibt, deren Besitzverhältnisse noch nicht sauber erfasst sind, da sie nicht in den letzten Jahren den Besitzer wechselten und dabei automatisch digital erfasst werden konnten, waren in den bekannt gewordenen Fällen ja Parzellen in ganz Griechenland betroffen. Und doch gibt es in abgelegenen Bergregionen wie der Lasithi-Hochebene und Kartharos noch viele fruchtbare Landflächen, die über Generationen per Handschlag weitergereicht werden und über die es keinerlei offizielle Aufzeichnungen gibt. Vor diesem Hintergrund können schwarze Schafe schon mal auf Ideen kommen, die in diesem Fall in wenig erhellenden Behörden äußerst fruchtbaren Boden fanden.

Unruhige Zeiten, auch in der Ägäis

Auf Kreta gibt es viele Ländereien, deren Besitzverhältnisse und Bewirtschaftungsstatus nicht immer offiziell erfasst sind   ©Kretaplan

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