Wer sich erst einmal gemächlich mit dem Bergwandern auf Kreta anfreunden möchte und nicht gleich Hals über Kopf in eine der wilden Schluchten der Insel abtauchen will, kann mit einer entspannten Nachmittagswanderung durch den sehenswerten Kroustas Pine Bee Forest starten. Bei bester Aussicht über zwei Meere lassen sich mit der ganzen Familie verschiedenste Landschaftsformen um den Pinienwald erkunden, die man so nicht unbedingt auf der griechischen Insel erwarten würde.

Wald ist eine Rarität auf Kreta, weshalb nahezu jede Ansammlung von aufrechten Baumstämmen, die keine Oliven sind, einen eigenen Namen bekommt. Die lange Geschichte der Besiedlung der Mittelmeerinsel ist eben auch eine Historie des menschlichen Holzhungers: vom Konstruktionsmaterial der minoischen Paläste über die Leuchtfeuer der venezianischen Küstenfestungen bis zur heutigen kretischen Vorliebe, Festtagsbraten über offenem Holzfeuer zu rösten (was an mindestens drei hochgradig "fleischlichen" Feiertagen exzessiv und bereits am frühen Vormittag betrieben wird). So hat die Jahrtausende währende Siedlungsgeschichte Kretas nicht mehr viel Waldgebiete übrig gelassen. Doch die Restbestände, die sich meist etwas abgelegen in Bergregionen erhalten haben, sind durchaus sehenswert. So auch der Pinienwald von Kroustas, der eigentlich ein recht bunter Mischwald ist – zudem mit doppeltem Meerblick.
Kroustas Pine Bee Forest mit Aussicht
Über Kritsa und Kroustas, einem sehr schönen Bergdorf mit einer beindruckenden Maulbeerbaum-Allee als Hauptstraße, ist schon mal die Anfahrt zum Kroustas Pine Bee Forest alles andere als langweilig. Verlässt man die Hauptstraße kurz vor der Schule in südöstlicher Bergrichtung, sind es rund 5 Kilometer über eine befestigte, aber holprige Bergstraße, die direkt an großen Mengen von Ziegenweiden und Bienenkästen vorbei zum Pinienwald führen. Da der Trinkwasserbrunnen am Picknickplatz an der Zufahrtstraße schon länger außer Betrieb ist, empfiehlt sich – wie ohnehin immer auf Kreta – die Mitnahme von genügend Getränken für die allerdings recht überschaubare Rundwanderung. Denn obwohl weite Teile des Wanderwegs von Bäumen überschattet sind, ist es hier auf rund 850 Metern über dem Meer in der Regel recht windig, was natürlich einen zusätzlich austrocknenden Effekt hat. Doch eine bessere Luft kann man wohl nirgends auf der Insel genießen als hier oben mit dem Duft der Pinien sowie den Ausblicken auf die Bucht von Mirabello des Kretischen Meeres im Nordosten sowie der Libyschen See im Süden.
©Kretaplan
Minoische Landwirtschaft und moderne Ziegen
Wie bei nahen verwandten Waldgebieten Ostkretas auch lassen sich im Pinienwald von Kroustas, offiziell Kroustas Forest Historical Landscape Park genannt, spielerisch und ohne Eintrittsgebühren Spuren aus der Zeit der Minoischen Hochkultur von 1900 bis 1650 v. Chr. entdecken, so zum Beispiel ein Dreschplatz, eine Zisterne sowie Reste von Steinhäusern, Ställen und Umfriedungsmauern. Und das ohne Absperrungen und eingebettet in weitestgehend naturbelassenen, mitunter geradezu hobbitartig bemoosten Wald sowie, zum direkten Vergleich, angrenzende moderne Einrichtungen der Weidetierhaltung (auch hobbitartig). Denn Teile des Waldgebietes werden nach wie vor von Schafen und Ziegen beweidet, weshalb rutschfestes Schuhwerk bei der Wanderung im Pinienwald von Vorteil ist, da die teils engen Pfade der steilen und felsigeren Areale mitunter ausgetreten und mit Huftier-Ködeln garniert sind.
Rundweg des Kroustas Forest Historical Landscape Park
Der Rundweg lässt sich am Besten unweit des Picknickplatzes mit einem unmittelbaren Einstieg zwischen den beindruckenden Pinien beginnen, wobei man sich rechterhand Richtung »Fortezza« orientieren sollte, um nach gut einem Kilometer über verwunschene Ziegenpfade eine Aussichtsplattform zu erreichen, die unverstallbare Blicke über die Küstenlinien am Fuße der Berge um Kroustas bietet. Ob sich hier auf der Bergkuppe eine der bronzezeitlichen Festungen Kretas befunden haben mag, bleibt der individuellen Fantasie überlassen, da eine Vielzahl der antiken Ruinen im Wald noch gar nicht ausgegraben und erfasst wurden. Von hier geht es schon wieder bergab, selbst die mit Erweiterungsschleife auf rund 5 Kilometer ausdehnbare Rundwanderung hat maximal 150 Höhenmeter Unterschied in sich, was sich natürlich in unwegsamem Gelände und auf kurzen Beinen mitunter nach mehr anfühlt. Doch dank der abwechslungsreichen Wegführung und den immer neuen Aussichten, gespickt mit begehbaren Artefakten aus vergangenen Zeiten, eignet sich die Wanderung durchaus auch für Familien mit Kindern.
Für den Rückweg kann man einen Besuch in einer der drei empfehlenswerten Tavernen von Kroustas ins Auge fassen, von denen das Xatheri mit seiner moderneren Neuinterpretation von kretisch-kulinarischen Klassikern und einer für eine griechische Bergtaverne geradezu dionysischen Weinkarte weit jenseits der Wahl zwischen Weiß oder Rot heraussticht. Und sich dabei dennoch den Charakter einer traditionellen Dorfschenke mit jeder Menge einheimischer Gäste erhalten hat.
Kommentar hinzufügen
Kommentare