Eine unbewohnte Insel in türkisblauer See, lange weiße Sandstrände und sonnengegerbte, knorrige Wacholderbäume: Die unbewohnte Insel Chrysi gilt nicht nur als einer der geografisch südlichsten Punkte Europas, sondern könnte fast das Idealbild einer tropischen einsamen Insel abgeben. Doch das fragile Ökosystem der Ausflugsinsel wurde von unregulierter Nutzung bedroht, weshalb die Regionalverwaltung 2022 die kretische Insel für den Tourismus sperrte. Doch nun wird eine Wiedereröffnung angestrebt.

Griechische Sandstrände: Fruchtbarer Boden besonders für Schirmverleiher – so auch bis 2022 auf Chrysi ©vstam70/pixabay
Chrysi-Wacholder halten das Gold der Insel zusammen
Einsame Inseln müssen klein, umgeben von weißen Stränden und warmen Meer und vor allem: einsam sein. Das allerdings traf auf Chrysi (Χρυσή = golden) nicht mehr zu, als die Regionalverwaltung Ostkretas im Mai 2022 die recht flache Kalksandinsel vor der Südküste Kretas für den Touristenfluß sperrte, der zuvor bis zu 200.000 Besucher im Jahr auf die unbewohnte weiße Insel spülte. Eigentlich unbewohnt, denn zur Hochzeit des wilden Treibens quartierten sich einige Robinsons gleich für den ganzen Sommer in selbstgebauten Hütten ein, errichteten illegal Tavernen und brachten Fahrzeuge und Ziegen mit – in ein Naturschutzgebiet, dessen Vegetation von einer besonderen Art von Wacholderbäumen dominiert wird, dessen älteste Exemplare wohl bis zu 300 Jahren alt sein dürften. In Zeiten des Klimawandels mit vermehrten Starkwinden und Sturmereignissen halten die weit verzweigten Wurzeln der hunderte Jahre alten Bäume buchstäblich die sandige Insel zusammen. Die Beweidung durch Ziegen könnte die jungen Triebe der Pflanzen komplett zerstört haben.
D̶i̶e̶ ̶N̶a̶t̶u̶r̶ Der Tourismus findet einen Weg
Das rund 4,7 km² messende Eiland, von den Kretern meist Gaidaronísi (Γαϊδαρονίσι = Eselsinsel) genannt, hat kaum Süßwasserreserven und keinerlei versorgende Infrastruktur und ist daher eigentlich nicht für eine dauerhafte Besiedlung geeignet. Doch die nächstgelegene Stadt Ierapetra, vor deren Küste Chrysi rund 15 km in der Lybischen See liegt, hat selbst nur wenig Sehenswürdigkeiten und kaum Sandstrand zu bieten und sich daher im Laufe der Zeit auf das einträgliche Geschäft mit den Bootsausflügen zur vorgelagerten "Strandoase" spezialisiert. Fährtickets wurden überall in der Stadt und ihrem kleinen Hafen angeboten. Doch nachdem das Anlanden von Schiffen auf Chrysi untersagt wurde, kamen dennoch Ausflugsboote und setzten die Besucher kurz vor den lockenden Stränden, die schon länger mit Sonnenliegen- und Schirmverleih bewirtschaftet wurden, einfach im Wasser ab, um die letzten Meter schwimmend zurückzulegen. Mit dem Beginn der Tourismussaison im Mai 2022 ist allerdings auch das Betreten der Insel behördlich verboten.


Einst wertvoller für die Region als Treibstoff: ehemalige Verkaufsstellen für Chryssi-Tickets um Ierapetra ©Kretaplan
Erste Zeichen einer Lockerung des Betretungsverbots von Chryssi
Nun mehren sich die Anzeichen, dass die Regionalregierung über eine legale Nutzung der Insel Chryssi nachdenkt. Bereits angelaufende Studien der lokalen Forstbehörde sollen den Zustand der Wacholderbäume untersuchen, die von der illegalen Nutzung des Grundwassers der Insel in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Weiterhin ist ein Gutachten zur Legalisierung eines Piers als Anlandestelle für Ausflugsschiffe geplant, um das Eiland auch wieder kommerziell nutzen zu können. Ein Kommitee soll den Aktionsplan dazu überwachen, der Vorsitzende Calouste Paragamian betonte gegenüber Radio Lasithi, dass sich die Insel ökologisch bereits zu erholen begonnen habe und von vielen schädlichen Praktiken der Vergangenheit, wie illegalem Camping und Umweltschäden, befreit sei. Gleichzeitig habe sich die Mentalität sowohl der Bevölkerung als auch der Geschäftsleute allmählich geändert. Es werde noch zwei bis drei Jahre dauern, bevor die Insel schließlich den gewünschten Zustand als nachhaltiges und geschütztes Reiseziel erreiche, so Paragamian. Das allerdings dürfte wohl eher an den langsam mahlenden Mühlen der Bürokratie liegen als an Überlegungen hinsichtlich des Umweltschutzes.
Also staatliche Bulldozer oder schwimmende Krankenwagen?
Möglicherweise wurde die Entscheidung mit den Entwicklungen an anderen Küstenabschnitten Kretas um Heraklion, in Sisi, Elounda und Ierapetra im Hinterkopf getroffen, wo im Winter 2023/24 illegal errichtete und somit nicht besteuerte Tourismusstrukturen wie Cafes und Restaurant-Terrassen behördlich mit dem Bulldozer entfernt wurden, was zu großen Protesten seitens der lokalen Tourismusindustrie führte. Tatsächlich sah es, kurz vor Beginn der Tourismussaison im April, in den betroffenen Gebieten aus wie nach einem heftigen Tornado.
Ein weiteres Zeichen setzte nun Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, als er kürzlich die Übergabe eines weiteren neuen »schwimmenden Krankenwagens«, also eines notfallmedizinisch ausgestatteten Bootes für den Krankentransport, für die Insel Chrysi zur Stationierung im Hafen von Ierapertra in Aussicht stellte. Demnach kann wohl davon ausgegangen werden, dass auch von höchster Stelle nicht viel länger auf die Einnahmen zumindest aus dem Tagestourismus mit Ziel der Insel Chrysi verzichtet werden soll.

Chrysi Island: Lange genug ohne Besucher? Die Hotels Ierapetras im Hintergrund halten reichlich Nachschub bereit ©Pat_Photographies/pixabay
Weiterführende Links:
Diskussionen nach dem behördlichen Abriss illegaler Strukturen in Sisi via Anatoli
Kommitee zur Beibehaltung der Nutzung der Insel Chrysi bei Radio Lasithi
Mitsotakis: »Schwimmender Krankenwagen« für Chrysi angekündigt bei LatoFM
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